Austausch mit der Politik

Einmal im Jahr treffen wir uns mit unseren politischen Vertreter*innen auf Kreis-, Landes-, Bundes- und Europa-Ebene, um mit ihnen über aktuelle Themen des Handwerks zu diskutieren. Der kleine zwanglose Kreis gibt den Politiker*innen die Möglichkeit, ihre Ansprechpartner im Handwerk kennenzulernen und aus erster Hand wertvolle Informationen für ihre politischen Aufgaben zu bekommen.

Turmgespräch 2019

Auch 2019 haben wir wieder Politikerinnen und Politiker zu unserem Austausch-Podium „Turmgespräch Handwerk“ eingeladen.

Drei Initialvorträge sorgten für genügend Hintergrundinformation zum offenen Gespräch. Ohne Augenwischerei dürfen und sollen auch unterschiedliche Sichtweisen aufeinandertreffen. Ein Dialog ohne Tabus, bei dem es nicht nur um Kritik und Forderung geht, sondern auch um Bestätigung und Anerkennung.

Handwerkstradition und Zukunftsvision

Um die Zusammenarbeit zur Förderung der handwerklichen Ausbildung ging es Kreishandwerksmeister Michael Bucher. Standorte müssten gestärkt und die berufliche Bildung modernisiert werden. Damit nicht andere Geschäftsmodelle die Aufgaben des Handwerks übernehmen, müssten die Lerninhalte an die Anforderungen der Zeit angepasst und in die Digitalisierung der Berufsschulen investiert werden.

„Wenn wir die Tradition des Handwerks bewahren wollen, dürfen wir uns nicht vor Zukunftsmusik fürchten. Wir müssen offen visionieren, ohne uns durch alte Grenzen zu blockieren, um nicht rechts überholt zu werden.“

Michael Bucher
Michael Bucher
Kreishandwerksmeister

Bestätigung kam von den Gästen aus dem Kreistag: es sei bereits ein großes Investitionspaket für die beruflichen Schulen für die nächsten zehn Jahre beschlossen.

Technologieoffen fördern

Dr. Hanna-Vera Müller, Vorstandsmitglied der Innung des Kfz-Gewerbes Bodensee-Oberschwaben, appellierte an die Politik, die Entwicklung alternativer Antriebstechniken nicht auf Kosten einer einseitigen Förderung der E-Mobilität auszubremsen. Die E-Mobilität habe ihre Berechtigung in bestimmten Anwendungsgebieten, eigene sich aber nicht als Lösung für alle Mobilitätsbereiche. Man müsse es wagen, die ökologische Gesamtbilanz zu ziehen, bevor man zu früh einen Trend verfolge, nur weil dieser gut ankomme.

„Man muss jedes Konzept zu Ende denken: wie sieht die gesamte Wertschöpfungskette aus, von den benötigten Rohstoffen über Herstellungs- und Entsorgungsprozesse, bis zur Energiequelle, welche Abhängigkeiten bestehen – und so weiter. Erst nach ganzheitlicher Betrachtung aller Facetten kann man ein Konzept ökologisch bewerten.“

Dr. Hanna-Vera Müller
Dr. Hanna-Vera Müller
Vorstandsmitglied der Innung des Kfz-Gewerbes Bodensee-Oberschwaben

Den Vertreterinnen und Vertretern aus der Politik war das Problem bewusst, Zustimmung kam auch aus den Reihen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen.

Weiterentwicklung von Alternativen

Ein Beispiel mit Forschungs- und damit Förderungsbedarf sind E-Fuels. Diese Kraftstoffe könnten mit Hilfe überschüssiger Sonnen- und Windenergie klimaneutral hergestellt werden. Das käme einem Energiespeicher gleich. Bestehende Motoren und das bereits vorhandene Tankstellennetz könnten weiter genutzt werden. Um Alternativen wie diese weiterentwickeln zu können, muss man von einer einseitigen Bevorzugung abrücken. Dr. Hanna-Vera Müller, Vorstandsmitglied der Innung des Kfz-Gewerbes Bodensee-Oberschwaben.

Jedem Baustoff seinen Platz

„Sind wir in Baden-Württemberg auf dem ‚Holzweg‘?“ fragte Otto Birk, Obermeister der Bau-Innung Ravensburg. Er konfrontierte die Gäste mit einseitiger Förderpolitik zugunsten des Baustoffs Holz. Die vermeintlich grüne Holzständerbauweise bestehe aber nur zu 10-20 Prozent aus Holz. Der Hauptanteil seien Dämmstoffe, Folien, Gipskartonplatten, Glas und so weiter, und das Fundament und der Keller seien aus Beton. Bei Hochhäusern kämen Stahlträger und Aluminium noch dazu. Das sei nur wenigen wirklich bewusst.

„In der aktuellen Klimadebatte hat das Holz-Marketing leichtes Spiel, als hätte Holz das Bio gepachtet. Es wird so hochgelobt, dass wir Massivbauer ein Problem haben, unsere tollen und natürlichen Baustoffe positiv zu vermarkten. Aber es kann nicht alles grün sein, was wir vermarkten, vieles muss man einfach massiv bauen.“

Otto Birk
Otto Birk
Obermeister der Bau-Innung Ravensburg

Teilnehmerinnen und Teilnehmer des zweiten Turmgesprächs Handwerk

VertreterInnen des Handwerks:

  • Otto Birk, Obermeister Bau-Innung Ravensburg
  • Martin Bloching, Obermeister Maler- und Lackierer-Innung Ravensburg
  • Michael Bucher, Kreishandwerksmeister
  • Armin Jöchle, Obermeister Elektro-Innung Ravensburg
  • Franz Moosherr, Geschäftsführer Kreishandwerkerschaft Ravensburg
  • Dr. Hanna-Vera Müller, Vorstandsmitglied Innung des Kfz-Gewerbes Bodensee-Oberschwaben
  • Eberhard Ruetz, Obermeister Stuckateur-Innung Ravensburg

VertreterInnen der Politik aus Kreistag, Landtag und Bundestag:

  • Gisela Müller, SPD
  • Liv Pfluger, Bündnis 90/Die Grünen
  • Roland Zintl, Bündnis 90/Die Grünen
  • Volker Restle, CDU
  • Roland Schmidinger, Freie Wähler
  • Axel Müller, MdB, CDU
  • Benjamin Strasser, MdB, FDP
  • August Schuler, MdL, CDU Raimund Haser, MdL, CDU

Die Initialvorträge des zweiten Turmgesprächs Handwerk 2019:

  • Stärkung der beruflichen Bildung – Sicherung der Berufsschulstandorte für handwerkliche Ausbildungsberufe
    Michael Bucher
    Kreishandwerksmeister
  • Sind wir in Baden-Württemberg auf dem „Holzweg“? Zur einseitigen Förderpolitik zugunsten des Baustoffes Holz
    Otto Birk
    Obermeister der Bau-Innung Ravensburg
  • Technologieoffene Förderung alternativer Antriebstechniken
    Dr. Hanna-Vera Müller
    Vorstandsmitglied der Innung des Kfz-Gewerbes Bodensee-Oberschwaben

Teilnehmerinnen und Teilnehmer des zweiten Turmgesprächs Handwerk (v. li. n. re.):
Roland Schmidinger, Freie Wähler; Otto Birk, Obermeister Bau-Innung Ravensburg; Raimund Haser, MdL, CDU; Eberhard Ruetz, Obermeister Stuckateur-Innung Ravensburg; Dr. Hanna-Vera Müller, Vorstandsmitglied Innung des Kfz-Gewerbes Bodensee-Oberschwaben; Martin Bloching, Obermeister Maler- und Lackierer-Innung Ravensburg; Axel Müller, MdB, CDU; Gisela Müller, SPD; Michael Bucher, Kreishandwerksmeister; August Schuler, MdL, CDU; Volker Restle, CDU; Liv Pfluger, Bündnis 90/Die Grünen; Armin Jöchle, Obermeister Elektro-Innung Ravensburg; Benjamin Strasser, MdB, FDP; Roland Zintl, Bündnis 90/Die Grünen Weingarten; Franz Moosherr, Geschäftsführer Kreishandwerkerschaft Ravensburg

Turmgespräch 2018

Das erste Turmgespräch fand am 13. November 2018 in Ravensburg statt. Die Themen der fünf Vorstandsmitglieder der Kreishandwerkerschaft Ravensburg waren hervorragend ausgesucht, recherchiert und vorgetragen. Einige Aspekte erhitzten die Gemüter der Handwerker ebenso wie die der Politikerinnen und Politiker.

Die leidenschaftliche Diskussionsbereitschaft bewies, dass das gewählte Format eines kleinen persönlichen Treffens genau die richtige Entscheidung war. Wir haben direkt und auf Augenhöhe miteinander diskutiert und unmittelbar auf die politische Arbeit Einfluss genommen. Mit üblichen Podiumsdiskussionen schafft man das nicht.

Spurwechsel als Lösung

Natürlich war die Integration Thema Nummer eins. Das dringend benötigte Einwanderungsgesetz oder ein sofort möglicher Spurwechsel als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel forderte Armin Jöchle (Obermeister Elektro-Innung Ravensburg).

Die Politik muss endlich für Planungssicherheit sorgen und ein Bleiberecht für die schaffen, die bereits in Handwerksbetrieben arbeiten und demnach gut integriert sind. Sie werden schließlich dringend gebraucht.

Armin Jöchle

Überbordende Bürokratie

Neben diesem Thema sorgte die überbordende Bürokratie im Nahrungsmittelhandwerk für Zündstoff. Mit guten zynisch-pointierten Beispielen machte sich Franz-Josef Wandinger (Obermeister Bäcker-Innung Ravensburg) stellvertretend für alle Betroffenen Luft: vor lauter Dokumentationspflicht zur Hygiene komme man kaum mehr zum eigentlichen Handwerk.

Wir fordern die Politik auf, eigene Regelungen für das regionale Handwerk zu liefern, die nicht einfach von der industriellen Nahrungsmittelproduktion abgeleitet sind. Handwerksbetriebe vor Ort, die eine ehrliche, saubere Arbeit leisten und regionale Erzeugnisse anbieten, haben sonst kaum mehr eine Zukunft. Und wer will schon unter solchen Bedingungen einen Handwerksbetrieb übernehmen?

Franz-Josef Wandinger

Gleiche Chancen gefordert

Jürgen Schneider (Geschäftsführer Metallbau Schneider GmbH) prangerte gegenüber der Politik die Verstöße gegen die Vergabe-Richtlinie bei öffentlichen Ausschreibungen an.

Das Schlupfloch der Generalunternehmer-Vergabe muss gestopft und für die Durchsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen mittelstandsgerechten Vergabe gesorgt werden. Nur so hat das regionale mittelständische Handwerk eine realistische Chance, sich am Wettbewerb zu beteiligen.

Jürgen Schneider

Motivierende Authentizität

Unsere Gäste hatten ein offenes Ohr für die dringenden Anliegen der Handwerkerschaft. Manfred Lucha, Minister für Soziales und Integration in Baden-Württemberg (Bündnis 90 / Die Grünen) bedankte sich für die guten Berichte. Beispiele aus der Praxis wären für die politische Arbeit wichtig und würden motivieren, an deren Verbesserung zu arbeiten.

Manfred Lucha MdL

Die Themen des ersten Turmgesprächs 2018:

  • Integration von Geflüchteten im Handwerk
    Armin Jöchle
    Obermeister der Elektro-Innung Ravensburg
  • Bürokratie im Nahrungsmittelhandwerk
    Franz-Josef Wandinger
    Obermeister der Bäcker-Innung Ravensburg
  • Auswirkungen regionaler Schulentwicklung und ÖPNV
    Otto Birk
    Obermeister der Bau-Innung Ravensburg
  • Digitalisierung im Handwerk insbesondere in der Infrastruktur und in der schulischen Ausbildung
    Michael Bucher
    Kreishandwerksmeister und Obermeister der Schreiner-Innung Ravensburg
  • Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen im regionalen Handwerk durch mittelstandsgerechte Vergabe
    Jürgen Schneider
    Geschäftsführer Metallbau Schneider GmbH

Gäste und Gastgeber des ersten Turmgesprächs (von links nach rechts): Michael Bucher (Kreishandwerksmeister), Franz-Josef Wandinger (Obermeister der Bäcker-Innung Ravensburg), Jürgen Schneider (Geschäftsführer der Metallbau Schneider GmbH), Petra Krebs MdL (Bündnis 90 / Die Grünen), Benjamin Strasser MdB (FDP), Agnieszka Brugger MdB (Bündnis 90 / Die Grünen), Rudolf Bindig (Fraktionsvorsitzender im Kreistag, SPD), Minister Manfred Lucha MdL (Bündnis 90 / Die Grünen), Otto Birk (Obermeister der Bau-Innung Ravensburg), Liv Pfluger (Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Bündnis 90 / Die Grünen), Axel Müller MdB (CDU), Armin Jöchle (Obermeister der Elektro-Innung Ravensburg), Franz Moosherr (Geschäftsführer)

Die eingeladenen Politikerinnen und Politiker

  • Petra Krebs MdL (Bündnis 90 / Die Grünen)
  • Benjamin Strasser MdB (FDP)
  • Agnieszka Brugger MdB (Bündnis 90 / Die Grünen)
  • Rudolf Bindig (Fraktionsvorsitzender im Kreistag, SPD)
  • Minister Manfred Lucha MdL (Bündnis 90 / Die Grünen)
  • Liv Pfluger (Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Bündnis 90 / Die Grünen)
  • Axel Müller MdB (CDU)

Turmgespräch – das Format

Neues Austausch-Podium mit der Politik

Wir haben ein neues Veranstaltungsformat entwickelt, um die Interessen unserer Mitglieder noch besser vertreten zu können.

Einmal im Jahr werden wir uns mit unseren politischen Vertretern auf Kreis-, Landes-, Bundes und Europa-Ebene zusammensetzen und mit ihnen über aktuelle Themen des Handwerks zu diskutieren. Der kleine zwanglose Kreis soll den Politikern die Möglichkeit geben, ihre Ansprechpartner im Handwerk kennenzulernen und wertvolle Informationen für ihre politischen Aufgaben zu bekommen – aus erster Hand.

Veranstaltungsort wird die Kreishandwerkerschaft in Ravensburg sein, der Türmestadt. Daher der Name Turmgespräch.